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Wohlbefinden am Arbeitsplatz: Der Teamsport, bei dem wir durch Optimierung unserer Arbeitsweise gewinnen

von Erica Gunn  |  8. November 2022

Lesezeit 5 Min.
Um das Wohlbefinden am Arbeitsplatz darzustellen, wird ein Team von Mitarbeitern gezeigt, die gemeinsam lachen, sich abklatschen und sich im Allgemeinen über die gegenseitige Anwesenheit freuen.

Auch wenn sich Zeiten und Technik ändern, so müssen sich Führungskräfte dennoch immer wieder die gleichen grundsätzlichen Fragen stellen wie eh und je. Was ist der Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden der Mitarbeiter und ihrer Produktivität? Wie kann ein Arbeitgeber dazu beitragen, dass ein Arbeitnehmer körperlich und geistig gesund und finanziell abgesichert lebt? Was macht eine gesunde Arbeitsatmosphäre aus? Und wie trägt all das dazu bei, qualifizierte Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, wo doch die große Kündigungswelle anscheinend eine dauerhafte Entwicklung ist und kein vorübergehendes Hoch der Arbeitsunzufriedenheit, bei dem letztes Jahr 69 Millionen Menschen ihren Job kündigten?

Bereits vor über 100 Jahren beantwortete William Hesketh Lever, einer der Lever-Brüder und Gründer des Seifenherstellers, aus dem sich schließlich Unilever entwickelte, diese Fragen ziemlich radikal. Er ließ für seine Arbeiter und deren Familien ein Dorf namens Port Sunlight mit 800 Häusern errichten. Dieses im Norden Englands gelegene Dorf hatte Schulen, ein Krankenhaus, eine Kirche und eine Parkanlage. Es handelt sich um eine von mehreren Werksstädten oder Mustersiedlungen in ganz Europa, die Industrielle im 19. und frühen 20. Jahrhundert mit der Absicht errichteten, ihren Arbeitern und Familien ein besseres Leben zu ermöglichen. Heute lediglich Touristenattraktionen bezeugen diese Orte, dass wir noch immer keine Lösung für das Problem gefunden haben, was auch die Daten belegen.

Der derzeitige CEO von Unilever, Alan Jope, hat offenbar seinen Vorgänger im Hinterkopf, wenn er von einer “neuen Art der Führung” spricht. Jope ist eine von vielen Personen, die beobachten, dass immer mehr Menschen heutzutage für Unternehmen arbeiten wollen, die sich um ihre Gesundheit, ihre Familie, ihre berufliche Entwicklung und ihre Persönlichkeit kümmern.

Erster Rückgang seit einem Jahrzehnt

Die im April 2022 veröffentlichte jährliche Umfrage unter amerikanischen Arbeitnehmern von Gallup zeigt erstmals seit 10 Jahren einen Rückgang beim Anteil der aktiv engagierten Arbeitnehmer. Nur noch 34 % der Beschäftigten gaben an, sich in ihrer aktuellen Stelle eingebunden zu fühlen, gegenüber 36 % im Jahr 2020. Als konkrete, für den Rückgang des Engagements ausschlaggebende Faktoren wurden u.a. genannt: die Mitarbeiter haben klare Erwartungen, fühlen sich der Mission ihres Unternehmens verbunden, haben Zugang zu geeigneten Arbeitsmitteln und Materialien und können frei den Tätigkeiten nachgehen, die ihren Fähigkeiten am besten entsprechen.

Außerdem ergab die Studie von Gallup, dass weniger als ein Viertel der Arbeitnehmer in den USA – das ist der niedrigste Prozentsatz seit einem Jahrzehnt – der Meinung sind, dass sich ihr Unternehmen wirklich um ihr Wohlergehen kümmert. Angesichts der Tatsache, dass Arbeit und Leben noch nie so sehr miteinander verwoben waren, haben diese Zahlen erhebliche Tragweite.
Ein einzelner Büroangestellter sitzt an seinem Schreibtisch, umgeben von arbeitsrelevanten Symbolen, wobei im Hintergrund eine sinkende Produktivitätskurve zu sehen ist.

Es kommt darauf an, wie wir arbeiten

Vor der Pandemie behandelten viele Unternehmen das Thema Wohlbefinden als eher individuelle Frage, die im Rahmen von Mitarbeiterhilfsprogrammen (Employee Assistance Programs, EAP) angegangen wurde. Die Untersuchungen von Gallup weisen jedoch darauf hin, dass es eine grundsätzlichere Beziehung zwischen dem Wohlbefinden und der Arbeit selbst gibt.

Das Fortschrittsprinzip

2011 stellten die Harvard-Professorin Teresa Amabile und der Forscher Steven J. Kramer einen Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Motivation bei der Arbeit und dem Empfinden her, dass man Fortschritte macht: das sogenannte Fortschrittsprinzip.

Diesem Prinzip zufolge können Führungskräfte das Arbeitsklima ihrer Mitarbeiter und damit auch die Leistung im Unternehmen verbessern, indem sie den Arbeitsfortschritt durch sinnvolle Tätigkeiten fördern, d.h. durch Aufgaben, die den Mitarbeitern das Gefühl geben, dass sie Teil einer übergeordneten Zielsetzung sind. Die Forschung von Amabile und Kramer ergab, dass “je häufiger Menschen dieses Gefühl des Fortkommens verspüren, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auf lange Sicht kreativ und produktiv sind”.

Die Schlussfolgerung für Führungskräfte ist, dass sie ihren Mitarbeitern vermitteln müssen, wie deren Arbeit zu den Unternehmenszielen beiträgt. Sorgen Sie dafür, dass die Leistung etwas zählt.

Unitasking

Dem Verhaltenspsychologen Tomás Santa Cecilia zufolge haben sich Kulturen lange Zeit von falschen Vorstellungen über die Arbeit leiten lassen – unter anderem vom Mythos, Multitasking sei effektiv. “Was wir stattdessen beobachten”, so Santa Cecilia, “ist, dass Personen, die über einen längeren Zeitraum hinweg Multitasking betreiben, am Ende völlig erschöpft und gestresst sind. Studien belegen, dass Multitasking unser zentrales Nervensystem belastet, insbesondere das Gehirn.”

Es stellt sich heraus, dass der Mensch in Wirklichkeit eine Unitasking-Spezies ist, die einfach nur ständig beschäftigt ist. Noch schlimmer: Verlieren wir erst einmal den Fokus auf unsere eigentliche Aufgabe, erholen wir uns nur schwer davon. Durchschnittlich 23 Minuten dauert es, bis wir uns wieder konzentrieren können, wenn wir einmal abgelenkt wurden.

Menschliche Produktivität muss aktiv gesteuert werden. Ein entscheidender Schritt besteht darin, produktive Arbeitsumgebungen zu schaffen, in denen seltener zwischen verschiedenen Kontexten hin- und hergewechselt wird.

Hilfsmittel

Eine aktuelle Studie von Salesforce unter Wissensarbeitern in den USA, Kanada, Großbritannien und Irland unterstreicht den Zusammenhang zwischen Wohlbefinden, Produktivität und den Hilfsmitteln, die Mitarbeiter täglich für ihre Arbeit nutzen.

Zweiundneunzig Prozent der befragten Arbeitnehmer gaben an, dass das Wohlbefinden am Arbeitsplatz unter anderem durch den Einsatz von Technologie verbessert werden kann. Die Umfrage ergab, dass “diejenigen, die mit ihrer Arbeitsplatztechnik unzufrieden sind […] mehr als doppelt so häufig wie zufriedene Arbeitnehmer angeben, dass sie sich bei der Arbeit ausgebrannt fühlen, und nur halb so oft sagen, dass sie mit ihrer Arbeit im Allgemeinen zufrieden sind.” Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Arbeitsplatz innerhalb eines Jahres kündigen, doppelt so hoch, während die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Arbeitgeber weiter empfehlen würden, nur halb so hoch ist.

Hier geben nicht etwa schlechte Arbeitnehmer ihren Arbeitsmitteln die Schuld. Vielmehr behindern schlechte Hilfsmittel die guten Arbeitnehmer.
Eine Gruppe von Mitarbeitern hält die Arme umeinander, während sie unter einer Reihe von sich bewegenden Zahnrädern stehen, die eine gut funktionierende Arbeitsumgebung und Produktivität repräsentieren.

Wohlbefinden ist ein Mannschaftssport

Die Lösung für das Wohlbefinden der Mitarbeiter im 21. Jahrhundert ist nicht, eine Werksstadt zu bauen, in der die Mitarbeiter an einen bestimmten Ort gebunden sind – Zeit, Technologie und Arbeitsweise haben sich weiterentwickelt. Vielmehr muss man den Arbeitnehmern Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie von überall aus, flexibel und ortsunabhängig arbeiten können. Die Lösung besteht also darin, sie durch sinnvolle Tätigkeiten und durch die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen voranzubringen, ohne ihre Zeit mit unsinnigen, produktivitätsmindernden Aufgaben zu vergeuden. Die einfachste Antwort lautet: Wir müssen verstehen, dass das Wohlbefinden im 21. Jahrhundert keine einmalige Angelegenheit für eine Einzelperson ist, sondern ein Mannschaftssport, den wir gewinnen, wenn wir zusammen spielen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Fassung auf Fast Company veröffentlicht.